Mittwoch, 19. Februar 2014

[Interview] Melanie Raabe "Die Hässlichen"

Hallo ihr alle da draußen vor den Bildschirmen!! 

Wie versprochen bekommt ihr das Interview von Melanie Raabe zu Gesicht - ich muss gleich dazu sagen, dass mir die Autorin beim E-Mails schreiben sofort sympathisch war; großer Pluspunkt von meiner Seite. Wer sie einmal live erleben möchte, muss zur Leipziger Buchmesse fahren - dort wird Melanie Raabe eine kleine Lesung abhalten.

UND Danke, dass ihr alle so super viele Kommentare unter meine Rezension geschrieben habt - ihr seid die Besten!

Aber jetzt Bühne frei für Melanie Raabe:

1. Erstmal großes Lob an dein E-Book "Die Hässlichen" - mir hat es sehr gut gefallen und ich hoffe, dass sich noch mehr Leser dafür finden werden! Aber nun zu der ersten Frage: Die Geschichte dreht sich ja um das heutige Schönheitsideal und das, was das mit gerade jungen Menschen anstellen kann. Wie bist du auf die Idee für dein Debütroman gekommen?

Vielen lieben Dank! Da kamen verschiedene Dinge zusammen. Tatsächlich war ich gerade auf der Suche nach einem Thema für eine Reportage. Zu der Zeit - es ist einige Jahre her, dass ich das Buch geschrieben habe - waren social media noch spannender und neuer als jetzt und ich habe über ausgefallene Internet-Communities recherchiert.

Dabei kam mir die Community "beautiful people" unter, eine Community allein für besonders schöne Menschen - oder solche, die sich dafür halten. Das fand ich irgendwie ziemlich bescheuert, ausgrenzend - uncool eben. Aus irgendeinem Grund kam mein Autorenhirn dann darauf, das Ganze umzudrehen:

Was wäre, wenn es einen Club für besonders hässliche Menschen gäbe, der das Hässlichsein exklusiv und cool macht und das Ideal dessen, was angesagt und erstrebsam ist, vollkommen auf den Kopf stellt?

2. Ich persönlich finde den Unterschied zwischen den beiden Hauptcharakteren Helena und Claire sehr einprägsam - wie kommst du auf solche Charaktere bzw. wie entwickelst du sie?

Ich wollte vor allem eine Geschichte über Freundschaft und über zwischenmenschliche Beziehungen erzählen, daher waren mir die Charaktere sehr wichtig. Bei der Entwicklung gehe ich super intuitiv und nicht sehr geplant vor. Ich interessiere mich sehr für Menschen, ich höre sehr aufmerksam zu, wenn mir jemand etwas erzählt, ich liebe Interviews, Biographien... Ich kann mich gut in andere Menschen hineinversetzen - ich mag Menschen. 

So kann ich mir auch immer gut vorstellen, wie eine Person sich in einer bestimmten Situation verhalten würde. Ich lasse da beim Schreiben eine ganz organische Entwicklung zu. Ich plane nicht alles vorher, sondern ich experimentiere und gucke, was passiert. Und irgendwann sind die Figuren dann rund und ich weiß intuitiv, wie sie ticken. Da muss ich dann nicht mehr überlegen, welchen Musikgeschmack ein Mädchen wie Claire hat - vollkommen klar, dass sie Björk hört etc. Für mich hat diese Vorgehensweise bei den "Hässlichen" ganz gut funktioniert. :-)

3. Bei manchen Szenen im Buch haben sich mir ganz schön die Nackenhaare aufgestellt - vor allem bei den Schilderungen der Perfomances von Helena - wie z.B. dicke Menschen von Models mit Mousse a Chocolate beschmissen werden - wie bist du auf diese Ideen gekommen? 

Da habe ich mich tatsächlich auf dem Papier als Konzept- bzw. Performance-Künstlerin ausgetobt. Ich interessiere mich ziemlich für diese Kunstform und habe mich zu der Zeit, als ich "Die Hässlichen" geschrieben habe, viel mit der Künstlerin Marina Abramovic befasst, die sehr viele abgefahrene Performances gemacht hat und das bis heute tut. Ich habe dann einfach Aktionen gebrainstormt, die - da sie ja von Helena kamen, für die Aufmerksamkeit zu bekommen das Wichtigste ist - möglichst plakativ und krass sein sollten.



4. Für wen speziell hast du "Die Hässlichen" geschrieben, wen möchtest du damit erreichen bzw. ab welchem Alter würdest du es empfehlen?

Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich kein spezielles Publikum im Kopf hatte. Ich habe an keinen Markt, an keine Zielgruppe gedacht. Als die Grundidee einmal da war, musste ich das Buch einfach schreiben. Auf jeden Fall habe ich im Nachhinein aber den Eindruck, dass ein erwachsenes Publikum besser mit dem Buch klar kommt, als ein sehr jugendliches - aber vielleicht bin ich mit meinen nicht mehr ganz so jugendlichen 32 da auch einfach näher dran. ;-)

5. Gerade das Ende, welches ich natürlich nicht verraten möchte, kam für mich sehr abrupt - ist dir da die "Luft ausgegangen" oder hast du dir die Möglichkeit für einen Folgeband offen gelassen?

Nee, es wird keinen Folgeband geben, denn die Geschichte und das Thema sind für mich ausgereizt und zuende erzählt. Ich habe bewusst ein offenes, aber suggestives Ende gewählt, um dem Leser die Möglichkeit zu lassen, sich selbst vorzustellen, für wen es gut und für wen es schlecht endet. 

Nur Bastian habe ich frühzeitig aus der zu diesem Punkt selbstzerstörerischen Gruppe rausgeholt, um anzudeuten, dass zumindest er keinen Schaden nimmt. Ich hatte von Anfang an eine Schwäche für Bastian, er ist eine Mischung aus verschiedenen Menschen, die ich sehr mag und irgendwie habe ich ihn instinktiv beschützt. Ich bin sicher, dass es Bastian gut geht. Helena und Claire hingegen... wer weiß!? ;-)

6. Du provozierst in deinem Buch ja doch sehr und kritisierst das Schönheitsideal - was ist denn deine persönliche Meinung zu dem Ganzen?

Mir ging es gar nicht darum, das Schönheitsideal zu kritisieren. Meine Figuren tun das, nicht ich. Diese Trennung finde ich sehr wichtig. Für mich sind "Die Hässlichen" ein Buch über Freundschaft, über den Sog einer Gruppe, über Subkultur, über Kunst und natürlich auch über schön vs. hässlich. Aber dem "Schönheitswahn" stehe ich ziemlich entspannt gegenüber.

Jeder soll an seinem Körper tun oder lassen, was er oder sie selbst will. Aber mit Betonung auf selbst. Von Werbung und Co sollte sich niemand diktieren lassen, wie er auszusehen hat. Es mag platt klingen, aber die Geschmäcker sind verschieden. Ich persönlich stehe auf Vielfalt und fände es langweilig, wenn plötzlich alle Frauen aussähen wie Gisele Bündchen und keine mehr wie Lupita Nyongo oder Beth Ditto oder Judi Dench oder Du oder ich oderoderoder.

7. Und zum Schluss noch eine Frage: Hast du bereits ein neues Buchprojekt in Arbeit und wenn ja, um welches Thema soll es sich dieses Mal handeln?  

Habe ich! Momentan arbeite ich an einem Krimi! :-)

Mir persönlich geht die ganze Geschichte rund um "Die Hässlichen" nicht mehr aus dem Kopf - ich finde, Mel Raabe hat ein sehr wichtiges Thema angesprochen und mich sehr zum Nachdenken bewegt. Wenn das ein Buch mit mir macht, dann bin ich richtig gehend begeistert und deswegen wollte ich euch auch mit einem kleinen Interview überraschen.

Nochmal ein dickes DANKE an dich Melanie Raabe für das tolle Interview und ich hoffe, euch hat es gefallen!

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